Ziel der vorliegenden Studie ist eine detaillierte Analyse und Systematisierung von Wortverbindungen und Wortverbindungsmustern der Wortformen ‚groß‘ und ‚klein‘, basierend auf dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo).
Der detaillierten Analyse des Wortverbindungsverhaltens von ‚groß‘ und ‚klein‘ gingen einige Vorarbeiten voraus. Mit der korpusgesteuerten Analyse von adjektivischen Wortverbindungen betrat die Studie Neuland, das zunächst einmal ‚exploriert‘ werden musste. Die Projektgruppe „Usuelle Wortverbindungen“ hatte sich bis dato hauptsächlich mit Wortverbindungen von Nomen befasst und somit konnte auf keine direkten Vorarbeiten zu Adjektiven aufgebaut werden. Es war jedoch zu erwarten, dass sich Adjektive anders als Nomen verhalten würden. Aus diesem Grund wurde zunächst eine kleinere Explorationsstudie zum Adjektiv ‚mächtig‘ durchgeführt, die diese Hypothese bestätigte, jedoch noch eine zu wenig solide Basis darstellte, um Aussagen über die Gruppe der Adjektive im Allgemeinen zu erlauben.
Der Notwendigkeit, weitere Adjektive hinsichtlich ihres Wortverbindungsverhaltens zu analysieren, stand nun die Frage gegenüber, auf welcher Grundlage die Auswahl dieser Adjektive getroffen werden sollte. Die Auswahl der Adjektive erfolgte schließlich aus zwei Richtungen: Zum einen wurden verschiedene grammatische und/oder semantische Klassifikationen von Adjektiven in der Literatur konsultiert und zum anderen wurde die Liste der Adjektive in Profile deutsch herangezogen. So wurden einerseits die Adjektivkategorien aus der Literatur übernommen und anhand der Liste aus Profile deutsch mit einem Adjektiv ‚gefüllt‘ und andererseits wurde auch die Liste der Adjektivkategorien erweitert, wenn sich Adjektive aus der Liste nicht in die bestehende Systematisierung einordnen ließen. Diese Methodik führte schließlich zu einer Auswahl von 25 Adjektiven, die zusätzlich zu ‚mächtig‘ hinsichtlich ihres Wortverbindungsverhaltens untersucht werden sollten: spät, zeitlich, rund, böse, sonstig, vermeintlich, gelungen, entspannt, anstrengend, erreichbar, inbegriffen, befreundet, verboten, rücksichtsvoll, minderjährig, überbezahlt, mehrsprachig, quitt, vier, super, wenig, langsam, hölzern, morphologisch, kafkaesk.
Diese Adjektive wurden auf Basis der COSMAS-Kookkurrenzanalyse im Hinblick auf mit ihnen gebildete Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster analysiert.
Dabei zeigte sich zunächst, dass es zwei große Gruppen von Wortverbindungen mit Adjektiven gibt, nämlich solche, in denen das Adjektiv den Kern bildet, und solche, in denen das Adjektiv nicht den Kern bildet. Die weitere Systematisierung soll im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden.
Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster, in denen das Adjektiv nicht den Kern bildet:
Adjektive als fakultative Erweiterung
von Wortverbindungen
Dabei handelt es sich (meist) um die adverbiale
Erweiterung/Modifizierung einer bereits existierenden (verbalen) Wortverbindung.
Bsp.: langsam in Fahrt kommen; sich mächtig ins Zeug
legen; mächtig ins Schwitzen kommen
Adjektive als obligatorisches
Adverbiale/Prädikativum in Verbindung mit bestimmten Verben
Bsp.: böse/gut/schlecht ausgehen; etw. wichtig/super
finden; etw. wirkt hölzern/lebendig; etw. entspannt/gelassen sehen
Adjektiv-Nomen-Kollokationen
Bsp.: böse Überraschung; in erreichbarer Nähe
Redewendungen, Sprichwörter etc.
Bsp.: Gute Miene zum bösen Spiel machen; Gottes Mühlen
mahlen langsam; Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster mit Adjektiven als Kern:
von der Adjektivvalenz abhängige
Wortverbindungen/Wortverbindungsmuster
Diese Gruppe von Wortverbindungen und
Wortverbindungsmustern steht in enger Verbindung zur Adjektivvalenz. Das
spezifische Adjektiv (bzw. die spezifische Lesart eines Adjektivs) gibt also die
semantischen und syntaktischen Möglichkeiten einer Wortverbindung vor.
Bsp.: einer Sprache mächtig sein; 1,40 m groß;
der zur
Tatzeit minderjährige Täter; ziemlich/sehr/extrem/wenig anstrengend;
vermeintlich schwach; zeitlich begrenzt
Bei adjektivisch gebrauchten Partizipien (z.B. gelungen)
und deverbalen Adjektiven (z.B. erreichbar) kann das Adjektiv die verbale
Valenz/das Wortverbindungsverhalten ‚erben‘.
Bsp.: es ist ihm verboten; über Fußweg erreichbar;
die
seit 10 Jahren verbotenen FCKW; die von den Nazis verbotene Musik; ihn
anstrengende Überkopfarbeiten; eine ihm gelungene Arbeit
Die Valenz/das Wortverbindungsverhalten des Adjektivs
ändert sich mit der Komparation.
Bsp.: SUPERLATIV + DATIV (es ist ihr zu
gefährlich/anstrengend/schwer); zu böse um zu + INFINITIV; KOMPARATIV +
als +
VERGLEICHSOBJEKT (mächtiger als das Staatsoberhaupt); so ADJEKTIV
wie
eigene adjektiv-typische
Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster, die nicht mit der Valenz
zusammenhängen
Bsp.: früher oder später; langsam, aber sicher; mehr oder
weniger + ADJEKTIV; ADJEKTIV genug, um + INFINITIV; nicht weniger + ADJEKTIV; ADJEKTIVpositiv,
wenn auch ADJEKTIVnegativ
Im Allgemeinen können fast alle Adjektive attributiv verwendet werden, d.h. Adjektiv-Nomen-Kollokationen eingehen. Es hat sich zudem gezeigt, dass sehr viele Adjektive Teil mindestens einer Wortverbindung sind, in der sie Kern sind. Besonders deverbale Adjektive (inklusive Partizipien) haben häufig Komplemente/Angaben, aber selbstverständlich können auch andere Adjektive valenzbedingt Komplemente oder Angaben fordern bzw. zulassen. Relations- und Quantitätsadjektive werden häufig in Adjektiv-Adjektiv-Verbindungen als Erstglied gesetzt. Darüber hinaus scheint allerdings das konkrete Distributionsverhalten eines Adjektivs kaum konkret voraussagbar – weder ausgehend von seinen morphologischen noch von seinen semantischen Eigenschaften.
Was sich quer durch die hier skizzierten Gruppen hinweg abzeichnete, war der unterschiedliche Grad an Festigkeit/Fixiertheit, den die Wortverbindungen aufwiesen. So sind gewisse Adjektive sehr fest mit bestimmten anderen lexikalischen Elementen verbunden (z.B. langsam + aber sicher; früher + oder später), d.h. das fragliche Adjektiv (‚langsam‘ bzw. ‚früher‘) ist nicht oder kaum in dieser Verbindung auswechselbar. In anderen Wortverbindungen steht ein Adjektiv, dessen Position und Funktion auch von einer Reihe anderer Adjektive (mit mehr oder weniger eng verwandtem semantischem Konzept) eingenommen werden könnte (z.B. mächtig/richtig/ordentlich + in Fahrt kommen). In anderen Fällen gibt es zwar ein besonders typisches Adjektiv, das aber grundsätzlich auch auswechselbar ist.
Nachdem durch diese Vorstudien der Rahmen abgesteckt war, indem sich Adjektive hinsichtlich ihres Wortverbindungsverhaltens bewegen, konnte nun vor diesem Hintergrund die detaillierte Analyse der zwei Adjektive ‚groß‘ und ‚klein‘ in Angriff genommen werden. Die Analyse wurde dabei auf die Wortformen ‚groß‘ und ‚klein‘ eingeschränkt, wodurch die Gruppe der Adjektiv-Nomen-Kollokationen nicht berücksichtigt wurde.
Diese Analyse stützte sich zu einem großen Teil auf das UWV-Analysemodell (Steyer/Brunner 2009), das jedoch aufgrund der neuen Erkenntnisse zum Wortverbindungsverhalten von Adjektiven etwas angepasst wurde.
So wurden die Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster von ‚groß‘ und ‚klein‘ in jeweils drei große Gruppen eingeteilt, die sie nach dem Grad ihrer Fixiertheit zusammenfassen. Dieser bezieht sich auf die Auswechselbarkeit des Elements ‚groß‘ bzw. ‚klein‘ in der jeweiligen Wortverbindung/dem jeweiligen Wortverbindungsmuster. Der Grad der Auswechselbarkeit von ‚groß‘ und ‚klein‘ wurde über COSMAS-Zusatzabfragen ermittelt, die mithilfe des UWV-Tools auf potenzielle andere adjektivische ‚Lückenfüller‘ untersucht wurden. Die genaue Form der Zusatzabfragen ist im Kommentar-Feld der jeweiligen Wortverbindung angegeben.
Die interne Strukturierung und Darstellung der Wortverbindungen und Wortverbindungsfelder folgt jedoch – mit Ausnahme der Kommentare zur Auswechselbarkeit von ‚groß‘ und ‚klein‘ – großteils dem UWV-Analysemodell.
So entstand eine für die Wortklasse der Adjektive angepasste Strukturierung der Wortverbindungen und Wortverbindungsmuster von ‚groß‘ und ‚klein‘, die sich auch für andere Adjektive als geeignet und ausbaufähig erweisen sollte.
Glaboniat, Manuela/Müller, Martin/Rusch, Paul et al. (2005): Profile deutsch. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen. Berlin/München: Langenscheidt.
Steyer, Kathrin/Brunner, Annelen (2009): Das UWV-Analysemodell. Eine korpusgesteuerte Methode zur linguistischen Systematisierung von Wortverbindungen. OPAL 1/2009.